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Medienecho
- Facettenreicher A-cappella-Gesang [Schwarzwälder Post, 13.06.2022]
Konzerteinführung „If music be the food of love“

anonymer Meister der franko-flämischen Schule (zwischen 1600 und 1625)
Vernetzung und Globalisierung, transatlantische Glasfaser und Satellitenkommunikation, Containerschiffe, internationale Warenströme und Lieferketten sind bestimmende Vokabeln unserer Tage.
Begriffe wie „Seidenstraße“, „Salzstraße“ oder „Teestraße“ und Namen wie „Hanse“ „Welser“ oder „Fugger“ zeigen uns jedoch, dass Welthandel keine wirklich neue Idee mehr ist; der weltweite Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Infektionskrankheiten hat schon sehr früh sehr gut funktioniert – aber auch geistige und kulturelle Errungenschaften machten schnell die Runde.
Früheren Machthabern war sehr bewusst, dass Kultur nicht nur Status, sondern auch Lebensqualität bedeutet. Es gab Hofpoeten, Hofmaler, Hofkapellmeister, Hoftheater, Meisterköche, wo heute nur noch Ghostwriter, Paparazzi, Flugbereitschaft, Dienstwagenflotte und Catering-Services mit Convenience-Food eine Rolle spielen. Geistvolles Antichambrieren musste dem Lobbyismus weichen.
Natürlich schmückte man sich auch mit der kulturellen Ausstattung bei Hofe und stand miteinander im Wettstreit, was in Mitteleuropa zu einem regen Austausch von Künstlern jeglicher Couleur führte.
In der Musik war es namentlich eine Gruppe von Komponisten aus Nordfrankreich, den südlichen Niederlanden und dem heutigen Belgien, die seit der Wende zum 15. Jahrhundert über ein paar Generationen hinweg sozusagen als Kulturagenten unterwegs waren und einerseits zu einer Art eigenständigem Stil gefunden, andererseits für eben diesen Austausch und für vielfältige gegenseitige Anregung gesorgt haben.
Von diesen franko-flämischen Komponisten wurde ganz besonders die englische und die italienische Kultur geschätzt, adaptiert, transportiert, bis mit Beginn des 17. Jahrhunderts von Komponisten wie Claudio Monteverdi eine neue Zeit eingeläutet wurde, die wir heute „Barock“ nennen. Natürlich hat auch die Entwicklung des Notendrucks im Gefolge des Buchdrucks dem Austausch und der Verbreitung von Musik einen enormen Schub verliehen.
Wir begrüßen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr herzlich zu einem Konzert, das italienische, franko-flämische und englische Vokalpolyphonie einander gegenüberstellt.
Interessanterweise haben viele der genannten Franko-Flamen italienische Texte vertont, viel weniger jedoch englische, obgleich man sich anfänglich durchaus auch in England stilistisch bediente. Vielleicht spielten Animositäten aus dem hundertjährigen Krieg dabei eine Rolle, dass sich englische Kultur auf dem Kontinent nicht durchsetzen konnte, im Lauf der Gezeiten wohl aber italienische auf der Insel. So mancher englische Komponist italienisierte seinen Namen – beispielsweise wurde aus einem John Cooper ein Giovanni Coperario – und die englische Sprache ist heutzutage voller Lehnwörter aus dem Italienischen.
So hören Sie heute mehr italienische Texte als englische, und wir beschränken uns auf diese beiden Sprachen, trotz eines reichhaltigen europäischen Repertoires.
Ein entscheidender Grund für die Reisetätigkeit von Herrschern war natürlich deren Machtpolitik, von der Diplomatie bis zum Krieg. Und oft zogen Hofkapelle und Hofkomponist mit, weil man einerseits unterhalten sein, andererseits die Gegenseite beeindrucken wollte. Nicht wenige Musiker dieser Tage waren darüber hinaus in diplomatischer Geheimmission unterwegs, oder als Berichterstatter.
An dieser Stelle sind wir in unser Konzert eingestiegen:
Mit einer Art Landsknechtslied von Josquin des Prez aus dem Norden Frankreichs, der längere Zeit in Rom und Mailand lebte: Ob man in den Krieg zieht oder Tanzen geht, es ist immer ein Kampf – und wir sind eingestiegen mit einer Art politischer Tagespresse von Cypriano de Rore aus Ostflandern, der in Venedig und Ferrara gelebt hat und in Parma gestorben ist. Was genau er da besingt, ist allerdings ungewiss, denn zu Cyprianos Lebzeiten stand der Habsburger Kaiser Karl V. für das heilige römische Reich deutscher Nation in ständiger kriegerischer Auseinandersetzung mit Frankreich um die Vorherrschaft in Europa – aber auf Frankreich bezieht sich die genannte goldene Lilie. Eine Allianz der beiden Mächte ist daher eigentlich eher unwahrscheinlich, zu divergent war die Interessenlage.
Aber wir sehen, dass auch imperialistische Unterwerfungsfantasien eine lange Geschichte haben.

Hans Muelich (1559)

Fresco, Pompeji
Tyler Bell, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Es standen jedoch nicht nur Länder im Konflikt miteinander, sondern auch Einzelpersonen – eine unerschöpfliche Quelle von Tratsch und Klatsch, Klage und Schadenfreude, Verrat.
Von Habsucht getriebener Viehdiebstahl zum Beispiel. Und wenn wir schon von Tieren singen, machen wir weiter mit Grillen, Drosseln und Schwänen. Natürlich wird deren symbolische Bedeutung besungen: die Unermüdlichkeit der Grille, die Sangesfreude der Drossel und die Sage, dass der Schwan nur einmal im Leben singt, bevor er stirbt – nach lebenslanger Treue. Und mit diesem Tod nimmt Jacques Arcadelt aus dem wallonischen Namur, der vor der Belagerung seiner Heimatstadt durch Karl V. nach Florenz und Rom auswich, die Kurve zu einer zentralen metaphorischen Bedeutung des Todes in der italienischen Liebeslyrik.
Der Tod nicht als Endziel eines Menschenlebens, sondern als Endziel, höchste Erfüllung und äußerste Entgrenzung in der Liebe.
Darum stürbe ein Verliebter so gerne täglich tausend Tode – dieser Tod ist Schlafes Bruder. Auch der Text des Lieds von Orazio Vecchi über den Phönix gibt darauf einen Hinweis: Der Tod als Höhepunkt, der zurückführt ins Leben. Der Tod als Abschied, der die Rückkehr versüßt und begehrenswert macht. Immer wieder und endlos ersteht der Phönix von Neuem aus seiner Asche.
Eindeutig ist die erotische Konnotation des sterbenden Schwans, der singt, bevor er stirbt. Literarisch wunderbar in Szene gesetzt übrigens in den Lebenserinnerungen des von E.T.A. Hoffmann erfundenen Kapellmeisters Johannes Kreisler. Kreisler singt mit seiner genial begabten Adeptin Julia ein Duett und steigert sich mit ihr in einen ekstatischen Taumel.
Hier ein Beispiel für die Wandlung oder den Verlust der Symbolhaftigkeit einzelner Wörter auch aus unserer eigenen Sprache:
Auf Anhieb klingt das bekannte Volkslied „Bald gras ich am Neckar, bald gras ich am Rhein“ wie das Tagebuch eines Wiederkäuers.
Es stellt sich mit Macht die Frage nach der Natur des lyrischen Ich in diesem Text.
Wenn Sie aber wissen, dass das Bild der „Graserin“ als Prostituierte schon seit Walter von der Vogelweide im Sprachschatz deutscher Lyrik verankert ist, verstehen Sie den Text völlig anders als ohne diese Kenntnis.
Orlando di Lasso aus dem Hennegau machte eine wirklich internationale Karriere, lebte lange in Italien und starb als Hofkapellmeister in München, wo er Jahre zuvor seine Laufbahn als Sängerknabe begonnen hatte. Aus Italien schrieb er seiner Frau zahllose Briefe, denen wir (unter anderem) entnehmen, wie sehr er sie (nicht zuletzt körperlich) vermisste. Ein wichtiges Thema, das auch in etlichen seiner Kompositionen eine Rolle spielt, wie in „Tutto lo di“, wo der Erzähler viel lieber mit den Fingern spielen möchte als nur zu singen.
Der rote Faden „Liebe“, der sich durch die Dichtung und damit auch durch die Musik der Renaissance zieht, ist mehr ein Seil, denn ein Faden, so allgegenwärtig und übermächtig ist dieses Thema in all seinen Facetten zwischen Liebesfreud und Liebesleid. Von Dante Alighieri, der das Italienische überhaupt erst von der Vormacht des Lateinischen befreite, über Francesco Petrarca bis Torquato Tasso machen die Poeten der Liebe ihre Aufwartung. Wie verklausuliert ihre Sprache dabei ist, um die Schicklichkeit nicht zu verletzen, das haben Sie ja gerade schon gehört. Das Liebesleid hingegen ist in dieser Hinsicht nicht gar so gefährlich, da kommt man mit weniger Metaphern aus und kann die Dinge eher beim Namen nennen.
Beschäftigen wir uns ein wenig mit diesem Leid in einigen Klageliedern jener Tage.
Vom Altmeister des italienischen Madrigals Luca Marenzio, der vor allem in Rom wirkte und die ganze Palette von der geistlichen Musik bis zum Theater abdeckte, hören Sie drei Liebesklagen. Torquato Tassos Frühwerk „Rinaldo“, ein Ritter- und Abenteuerroman der Gattung „coming of age“, lässt die Liebe als bloßen Wettbewerb zum Punktesammeln erscheinen. Eine Schäferin beklagt in „Lasso, dicea“, Rinaldo auf den Leim gegangen zu sein, dabei habe der nie ernste Absichten gehabt. Rinaldo als Pick-Up-Artist: Sexismus ist keine Errungenschaft der Neuzeit und war damals durchaus salon- bzw. literaturfähig, #MeToo noch in ferner Zukunft.
Gleichwohl war Rinaldo natürlich ein Ritter der edelsten Sorte: Wie auch sein älterer Cousin Orlando nahm er unter Gottfried von Bouillon 1099 als Kreuzritter am ersten Kreuzzug nach Jerusalem teil. Orlando war jener „Rasende Roland“, wie ihn Übersetzer von Ariosts Versepos Orlando furioso auf Deutsch nannten.
Wir hören, dass Schönheit auch statuenhaft aus Stein sein kann und damit unempfindlich gegen Amors Pfeile, vor allem, wenn das Herz aus Stein ist, und dass Liebe und Leid ohnehin sehr nah beieinander liegen.

Marionetten im Museo Archeologico Eoliano (Lipari)
Ji-Elle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Nicolas Poussin (ca. 1629 bis 1630)
Es gibt viele Überschneidungen von Liebeslyrik und bukolischer Schäferidylle, viele Beschreibungen arkadischer Landschaften, in denen es sich wohl sein lässt. Ein verlorener Garten Eden, in der Renaissance als Sehnsuchtsort eines aristokratischen Eskapismus, ein poetisch geschaffener Raum eines goldenen Zeitalters. Auch damals schon war früher alles besser. War „Zurück zur Natur“ tatsächlich nur „das zeitgemäße Schlagwort einer koketten Morbidezza“ (Hermann Harry Schmitz, Düsseldorf 1908)?
So wurden Teile des prachtvollen barocken Gartens von Versailles unter Louis XVI. der Mode entsprechend zu einer englischen Parklandschaft umgebaut, mit Cottages, für „Auszeiten“ in der Nachahmung einfachen ländlichen Lebens, inklusive typischer „Schäferistrumente“ wie Dudelsack und Drehleier, die ganz plötzlich vehement in Mode kamen, oder „Bauerntänzen“ wie Gavotte und Musette. Die Anzahl entsprechender Kompositionen – passenderweise meist Duos – geht in die Hunderte, vor Allem im französischen Rokoko.
Die Bezeichnung „Schäferstündchen“ für eine intime erotische Begegnung kam in Deutschland erst im frühen 18. Jahrhundert auf, kein Geringerer als Friedrich Schiller führt sie im Munde, in „Die Entzückung an Laura“.
Apropos Schiller: Sie kennen vielleicht sein Gedicht „Resignation“:
„Auch ich war in Arkadien geboren,
auch mir hat die Natur an meiner Wiege Freude zugeschworen …“
Und auf so manchem Sarkophag finden sich die Worte: „Et in Arcadia ego“.
Stark beeinflusst von Vergil schrieb der Napolitaner Jacopo Sannazaro um 1480 seine Pastoralromanze „Arcadia“; einen Auszug daraus hören Sie in einer Vertonung von Ruggiero Giovanelli. Sannazaro ist neben Petrarca die Haupt-Textquelle für die italienischen Madrigalkomponisten der Renaissance. Er hat einen enormen Beitrag geleistet zur Entwicklung einer landesweit einheitlichen italienischen Hochsprache, auch wenn diese erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit Alessandro Manzoni und seinen „Promessi Sposi“ abgeschlossen wurde.
Begonnen hatte dieser Prozess wie schon erwähnt mit Dante Alighieri und seinem monumentalen Werk „La divina Commedia“, das vollständig in vernakulärem Florentinisch geschrieben war und die Codifizierung des Italienischen quasi einläutete.
Das Latein – neben Hebräisch und Griechisch eine der drei „heiligen“ Sprachen der Schrift – war der Tragödie vorbehalten, weshalb Dantes in einer teils recht derben Volkssprache verfasstes Werk „Commedia“ heißen musste.
In jener Zeit bemühten sich viele europäische Länder um die Vereinheitlichung ihrer Landessprache. Davor gab es jeweils eine Vielzahl regionaler und dialektaler Sonderformen, die eine Übersetzung oder ein Verständnis aus der zeitlichen wie aus der räumlichen Distanz erschweren, teils fast unmöglich machen. Wie wir vorhin gesehen haben, sogar in der jeweils eigenen Muttersprache …
Wir halten deshalb unsere Übersetzungen unserer heutigen Liedtexte durchaus nicht für alternativlos.
In Deutschland stehen Namen wie Adlung, Gottsched oder die Brüder Grimm für dieses Bemühen um sprachliche Einheit.

Domenico di Michelino (1465), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Paulus Moreelse (1633)
Aber zurück nach Arkadien: Im England der Stuart-Ära finden wir Schäferromanzen z.B. von Philip Sidney mit „The Countess of Pembroke’s Arcadia“ oder Thomas Shadwell mit „The Royal Sheperdess“. Shadwell war als Poeta laureatus Nachfolger von John Dryden und Vorgänger von Nahum Tate. Henry Purcell hat sich in seinem Gesamtwerk ausführlich bei allen drei Hofdichtern seiner Ära bedient.
„In these delightful pleasant groves“ ist aus Purcells Bühnenmusik zu Shadwells Stück „The Libertine Destroyed“, einer Bearbeitung von Tirso de Molinas „El burlador de Sevilla“.
Es ist die Geschichte Don Johns (Don Juan bei Molina), eines Wüstlings und Schürzenjägers, der am Ende dazu verurteilt ist, für seine ruchlosen Sünden zu büßen. Purcells Beitrag zu dieser Lustspielklamotte ist mit seinem lebhaft tänzerischen Überschwang und seinen lautmalerischen Effekten durchaus ein echter Höhepunkt englischer Chormusik der Barockzeit.
Auch in unserer heutigen Pop-Kultur hat Purcell es zu Ehren gebracht:
Die Arie „What power art thou“ aus dem dritten Akt von King Arthur wurde unter dem Titel „The cold song“ mit der deutschen New-Wave-Ikone Klaus Nomi zu einer der bekanntesten Barock-Arien überhaupt und schaffte es in dieser Interpretation sogar zur Titelmusik des Films „À nos amours“ mit Sandrine Bonnaire in der Hauptrolle.
Und schließlich: Musik als Ausdruck, als Vehikel, gar als Nahrung der Liebe – eine Idee, so alt wie der Minnesang. Vor unserem geistigen Auge sehen wir Romeo mit der Laute unter Juliens Balkon …
Der Text zu Henry Purcells „If music be the food of love“ klingt verführerisch nach William Shakespeare, stammt jedoch von einem gewissen Colonel Heveningham, Politiker, Parlamentsmitglied, Soldat und Poet. Möglicherweise auch einer der Königsmörder Karls I.
Die Übereinstimmung des Texttitels kann eigentlich kein Zufall sein.
Shakespeares „Twelfth Night“ („Was ihr wollt“) beginnt mit den Worten Orsinos, des liebestollen Herzogs von Illyrien:
If music be the food of love, play on,
Give me excess of it, that surfeiting,
The appetite may sicken, and so die.
Aber bis zu diesem Überdruss mag Heveningham es nicht kommen lassen, sein Text nimmt eine positivere Wendung.

Johann Heinrich Ramberg (1801)

Google Earth mit Daten von U.S. Geological Survey und Maxar Technologies
Thomas Morley, einer der Vorgänger Purcells an der Chapel Royal, war einer der Hauptverfechter des italienischen Stils in England, und er hatte damit überaus großen Erfolg. Die enorme Verbreitung seiner Werke im Druck spiegeln bis heute seine Bedeutung wider.
1961 benannte das UK Antarctic Place-Names Committee einen 1550 m hohen Berg im Nordwesten der Antarktis nach ihm.
Wir singen zwei seiner legendären Kanzonetten und kommen dann zurück auf Henry Purcell, den man nach seinem Tode mit dem Titel „Orpheus Britannicus“ adelte.
Unter dieser Bezeichnung veröffentlichte Purcells Witwe Frances 1689 und 1702 zwei Bücher
mit Werken ihres verstorbenen Gatten. Der Erstdruck von Band 1 enthält zwischen Vorwort und Musik sieben Oden, Lamentations und Nachrufe auf den Tod Purcells, teils von namhaften Verfassern wie Dryden und Tate. Diese wiederum wurden von ebenso namhaften Komponisten wie John Blow und Henry Purcells jüngerem Bruder Daniel vertont.
„Music for a while“ ist Teil einer Art Intermedium zu John Drydens Schauspiel „Ödipus“.
Der tote König Laios soll von zwei Priestern befragt werden nach seinem Mörder, aber dafür muss zuerst die schlangenhaarige Rachegöttin Alekto besänftigt werden. Musik mit narkotischer Wirkung sozusagen, sogar auf Erinnyen.
Da die Oper in England sich noch nicht wirklich durchgesetzt hatte, machen diese Schauspielmusiken einen beträchtlichen Anteil des musikalischen Theater-Schaffens nicht nur von Purcell aus. In England entwickelte sich aus diesen Schauspielmusiken die Spezialform der Semi-Opera, eine Mischung aus gesprochenem Drama, Gesang, Musik und Tanz, die ganz maßgeblich von Purcell befördert wurde. Das vorhin gehörte Stück „If love’s a sweet passion“ entstammt seiner Semi-Oper „The fairy queen“, einer Bearbeitung von Shakespeares „Sommernachtstraum“. Es geht hier im 3. Akt um die Liebe der unter Drogen gesetzten Elfenkönigin Titania zu Nick Bottom, dem Handwerker, der in deutschen Übersetzungen Niklaus Zettel heißt (auf ihn bezieht sich Arno Schmidt in Zettel’s Traum). Ihm wurde vom Waldgeist Puck bei einer Theaterprobe ein Eselskopf angehext.
Nach Purcells Tod ging die Gattung Semi-Oper unter, mit Georg Friedrich Händel war die übermächtige italienische Oper in England angekommen.

Aeneas-Meister (ca. 1530–1535)

Albrecht Dürer (1514)
Tja, irgendwann ist dann der Lack ab, mit Liebesabenteuern kein Staat mehr zu machen.
Dann sind die Alten nur noch neidisch, zu nichts mehr zu gebrauchen als zum Zanken.
Wir kommen zurück zum Tierreich: Auch für die allegorische Darstellung der Entwicklung eines Menschenlebens taugen die Tiere. Henry Purcell hat das in einem seiner Kanons (von denen er viele Dutzend geschrieben hat zur Unterhaltung in geselliger Runde) verarbeitet. In zwei Strophen, damit es gerecht zugeht in der Welt, und Männer und Frauen gleichermaßen altern.
Sie sehen: Auch der Jugendwahn ist keine Erscheinung der Neuzeit.
Aber, das zeigt Dürers Portrait seiner Mutter: Alt war man damals deutlich früher als heutzutage.

Albrecht Dürer (1497)
Was bleibt: Gott um Vergebung zu bitten für all die begangenen Sünden.
Zum Schluss unseres Konzerts öffnen wir ein Fenster in die geistliche Musik dieser Epoche – aber das wäre mehr als genug Stoff für ein ganz anderes Programm.
Für heute danken wir herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffen, wir konnten Sie für eine Weile in eine andere Welt entführen. Auf dem Rückweg in den Alltag steht Ihnen ein Spendenkörbchen im Weg, wir danken ebenso herzlich dafür, dass Sie es nicht ohne Beachtung lassen.
