Endlichkeit [2022, 2024]

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Konzerteinführung „Endlichkeit“

Wir begrüßen Sie ganz herzlich bei unserem Streifzug durch die Endlichkeit, besser gesagt, durch die vielfältigen Möglichkeiten, sich damit auseinanderzusetzen.

Von Ewigkeit zu Ewigkeit – diese vertraute Formulierung beschreibt exakt die Spanne eines Moments wie beispielsweise unsere Lebenszeit: Wir leben – quasi auf die Sekunde genau – von der Ewigkeit, die vor uns war, zu der Ewigkeit, die nach uns kommen wird.

Unsere begrenzte Vorstellungskraft erlaubt es uns jedoch nicht, uns ein Bild zu machen von der Unendlichkeit von Zeit oder Raum. Angesichts dieser Unfassbarkeit ist Endlichkeit sogar etwas unendlich Tröstliches, weil wir uns dieses Begriffs sicher fühlen. So sicher, dass wir auch unser Konzept von „Zeit“ der Endlichkeit und dem Vergehen unterworfen haben, obwohl wir spätestens seit dem britischen Astrophysiker Stephen Hawking wissen sollten, dass diese Vorstellung mehr als nur in Frage steht.

La persistència de la memòria (Die Beständigkeit der Erinnerung)
D’Argenta-Skulptur nach dem gleichnamigen Gemälde von Salvador Dalí (1904–1989)
Saimonsays1991, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
El caballero y la muerte (Der Kavalier und der Tod)
Pedro de Camprobin (1605–1674)

Bereits im dritten Jahrhundert vor Christus fasste ein Mann, den sie den Prediger Salomo nannten, in Worte, was erst in jüngster Zeit als Idee eines zirkulären Zeitverständnisses beispielsweise in dem sehr sehenswerten Film „Arrival“ wieder aufgenommen wurde. Im dritten Kapitel des Buchs Kohelet (Vers 15) lesen wir:  

Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.

In dieser kaum begreiflichen Unwägbarkeit nähern sich Musik und Texte unseres heutigen Programms von ganz unterschiedlichen Seiten und Blickwinkeln der Endlichkeit an, von Johannes Scheffler, dem schlesischen Boten, dessen Cherubinischer Wandersmann keinen Tod glaubt, bis Gerhard Rühm, der buchstäblich bis zum letzten Atemzug so lange wie möglich an diesem Leben hängt; von Johann Benedict Mauricio, der in typisch barocker Vanitas-Manier die Nichtigkeit des Lebens und die Unausweichlichkeit des Todes beschreibt, über Henry Wadsworth Longfellow, der 18 Jahre nach dem tragischen Flammentod seiner geliebten Frau Frances diesen Verlust noch immer nicht verwunden hat, bis Hugo Distler, dem Hauptvertreter einer Erneuerung protestantischer Kirchenmusik um 1920, der trotz, oder vielleicht auch angesichts so zuversichtlicher Gedanken wie der Seligkeit der Toten 1942 aktiv seinem Leben ein Ende setzte. Entgegen der Legende war diese Entscheidung übrigens nicht von seiner Einberufung zum Militärdienst bestimmt.

Johann Wolfgang von Goethe am 26. März 1832, vier Tage nach seinem Tod im Alter von 82 Jahren. Nach der Natur gezeichnet.
Friedrich Preller der Ältere (1804–1878)

Begleiten Sie uns also auf dieser Reise und lassen Sie ruhig die Zeit vergehen, sie ist ohnehin „schon längst gewesen“.
Wir hoffen, Sie nehmen daraus viele gute Gedanken mit auf den Heimweg. Zum Beispiel diesen der Schweizer Philosophin Barbara Bleisch:

„Das Leiden an der Vergänglichkeit ist bisweilen nur ein Zeichen für eine besonders glückliche Gegenwart.“

Über Ihren Beifall freuen wir uns am Ende des Konzerts, ebenso über Ihre Spende am Ausgang zur Förderung unserer weiteren musikalischen Arbeit.

Eine Zugabe wird es nicht geben, es stünde irgendwie im Widerspruch zu Endlichkeit und Vergehen.

Lizenz Konzerteinführung „Endlichkeit“ © 2024 von TonArt Kenzingen ist lizensiert unter CC BY-NC-SA 4.0